Was ist Patina, was ist "vergammelt"?

[Jan Christopher]

Hatten wir das Thema nicht schon einmal hier?Meine Meinung:Je älter das Auto, um so mehr Patina ist erlaubt.Rost an einem NK-Auto ist Gammel, matter Lack geht, Dellen nicht."NK-Patina" sollte möglichst vom Besitzer (oder von mir aus einem engen Verwandten stammen), Patina vom Vorbesitzer übernommen (igitt) zähle ich eher zu Gammel Mein eigener Alvis (Bj. 39) ist daher eher grenzwertig, da die Patina von vielen Vorbesitzern, aber auch von mir selbst stammt. Außerdem war das Auto eigentlich schon einmal tot (Wasserschaden aus einem Hochwasser).Aber hier erzählt das Erscheinungsbild eine interessante Geschichte und die wäre weg, wenn ich etwas an der Optik des Autos macheGrußJan

[Derby special]

Na gut, daß wir endlich auch für Gammel eine gute deutsche Definition haben.Jetzt muß ich also meine schöne Sitzbank restaurieren lassen (Gammel, da aufgerissen), das Leinöl, welches seit fast 40 Jahren drauf ist abwaschen, die in vielen Rennschlachten errungenen Steinschlaglackabplatzer auf den Kotflügeln überlackieren (einschl. des Rußfilms oberhalb des Auspuffs) und die kleinen Dellen ausbeulen lassen (vom Dellendoktor) . Alles Gründe, warum ich mir das Auto gekauft habe - weils so einfach (für meine Augen) authentischer aussieht, als die meisten der Neubau-Bentleys Baujahr 2000 x. Grüße,Ralf

[stang66]

@Derby Special:nein, musst du doch gar nicht. Hier ging es doch lediglich um persönliche Meinungen, welche Maßstäbe man an sein eigenes Auto anlegt; keinesfalls darum, wieder eine weitere unnötige Regelung einzuführen. So wie du dein Auto beschreibst, finde ich persönlich es authentischer und auch schöner als eine 1 Restauration. Und, was das wichtigste ist: wenn jemand anders eine andere Meinung hat und eine geleckte 1 Restauration schöner findet, akzeptiere ich auch das.P.S.: kannst du mir mal erklären, warum man vor 40 Jarhen die Autos mit Leinöl eingeschmiert hat? Patina war doch bestimmt noch nicht so "in Mode" wie heute, also nehme ich an, es hat andere Gründe.

[er ka]

Hallo erstmalund interessante Frage.Für mich ist Patina alles was ich dem Fahrzeug im Verlaufe der normalen Nutzung während des Besitzes zufüge, wie da sein können Abnutzungsspuren an den Sitzen, Spuren am Lack, eventuell auch kleinere Dellen (welche im Alltagskampf nicht ausbleiben) und abgegriffe Bedienelemente, wie Lichtschalter, Radioknöpfe, Binkerhebel, angewetzte Teppiche usw.Da können auch kleinere Roststellen zugehören, sollten sich aber im Rahmen halten.Absolut nicht dazu gehören Durchrostungen, verrostete Chromteile, blinde Scheinwerfer, abgebrochene Bedienelemente usw.Patina entsteht durch zweckgemässe Nutzung, alles andere durch runterreiten.Für mich ist Patina also etwas normales, Durchrostungen und ähnliches nur Vernachlässigung.Ergo haben meine Oldis alle Patina und genau deshalb sage ich grundsätzlich sie sind im Zustand 3, denn ich fahre und nutze sie und dafür wurden sie damals gebaut.Komplett durchrestaurierte Oldis auf besser als Neu sind mir irgendwie zuwider, die taugen für den Staubwedeleinsatz und haben auf der Strasse nichts zu suchen.Ich fahre(mit Patina)freundlich grüssend er ka

[arondeman]

Interessant, wie die graduellen Abstufungen bei genauem Durchlesen doch ziemlich auseinandergehen. Manche hier vorgebrachten Definitionen, nach denen es praktisch überhaupt keine wirklichen mit Patina gleichzusetzenden Gebrauchsspuren mehr geben dürfte (denn was sind schon "unvermeidliche" Gebrauchsspuren bei extrem seltener Nutzung und zugleich extrem überdurchschnittlicher Pflege?), klingen mir mehr nach der Weltsicht des Gewerbetreibenden, der die Seinen in der Branche auch nicht umkommen lassen will, denn wo kämen wir denn hin, wenn z.B. "noch gute" Gebraucht-Fußraummatten mit wirklich geringen Abnutzungsspuren, Gebraucht-Chromstoßstangen mit schönem Glanz, aber doch ein paar auszupolierenden kleineren Pickeln oder Leuchtengläser mit leichten (aber absolut TÜV-tauglichen) Trübungen weiterverwendet würden und auch als Gebrauchtteile ein zweites Leben erhielten! Die Repro-Teile wollen ja schließlich auch abgesetzt werden! Also weg mit dem "Gammelplunder" und schnell das Neue gekauft, was man euch feilbietet, bitteschön! Aber im Ernst, da neige ich schon mehr einer "mittleren" Linie mit maßvollen, aber durchaus auch anders als mit der Lupe sichtbaren Gebrauchsspuren zu. Man kann aber nicht alle Fälle mit gleicher Messlatte messen. Im Zweifelsfall sollte man es auch an den jeweiligen Fahrzeugmodellen festmachen. Für die Druckstelle in der Vorderstoßstange eines meiner Wagen (erkennbar irgendwann in seinem Vorleben durch die AHK-Kugel eines "Vordermanns" verursacht) kann ich objektiv nur meine eigene Knausrigkeit verantwortlich machen (denn der Chrom ist ansonsten noch ziemlich tadellos) und nicht eine aus Mangel heraus entstandene unvermeidliche Patina , denn da mehrere neue originalverpackte Stoßstangenmittelteile im Regal liegen, KÖNNTE ich sie ja auswechseln, wenn ich wollte . Eine Delle in einer Stoßstange eines extrem seltenen Exotenmodells, für das es gar nichts Originales gibt, halte ich dagegen für eine lässliche Patina-Sünde, die ewig und immer wieder zu besichtigenden Verdrehungen, Verwindungen und Verwerfungen in den Kastenstoßstangen der VW Käfer mittleren Alters sind für mich jedoch grundsätzlich Ausdruck deutlicher Verwahrlosung. Thema Rost:Wo fängt Rost als Gammel an, wo ist er noch Patina? Eineer meiner Wagen hat auf dem Dach noch den schwarzen Erstlack, aber einen ca 5 x 5 mm großen Steinschlagschaden nebst angrenzender, ca 1 cm langer feiner Linie einer Unterwanderung unter den angrenzenden intakten Lack. Im Zuge der Wagenwäsche wird diese Macke regelmäßig mit Wachs besonders versiegelt, damit möglichst keine Feuchtigkeit die Stelle weiter unterwandert, und damit habe ich den Schaden ziemlich konstant halten können, seit ich den Wagen habe (immerhin gut 21 Jahre!). Den Deibel werd ich tun und das komplette, schön glänzende Dach neu lackieren lassen, nur weil jemand sagt "Da is ja Rost, das is Gammel und keine Patina!" (Bei den Roststellen am Rumpf, die sich u.a. um die Scheinwerfertöpfe - auch infolge etlicher Wintereinsätze - auf dem ohnehin 2x neu lackierten Blech gebildet haben, sieht das natürlich anders aus... )GrüßeStephan

[Derby special]

Zitat:Original erstellt von stang66 am/um 22.11.07 09:05:26@Derby Special:nein, musst du doch gar nicht. Hier ging es doch lediglich um persönliche Meinungen, welche Maßstäbe man an sein eigenes Auto anlegt; keinesfalls darum, wieder eine weitere unnötige Regelung einzuführen.So wie du dein Auto beschreibst, finde ich persönlich es authentischer und auch schöner als eine 1 Restauration.Und, was das wichtigste ist: wenn jemand anders eine andere Meinung hat und eine geleckte 1 Restauration schöner findet, akzeptiere ich auch das.P.S.: kannst du mir mal erklären, warum man vor 40 Jarhen die Autos mit Leinöl eingeschmiert hat? Patina war doch bestimmt noch nicht so "in Mode" wie heute, also nehme ich an, es hat andere Gründe.Habe ich mir schon so gedacht, aber ich wollte halt mal - durch meine Antwort - auch die "Gegenseite" der Besser Als Neu Restaurierungsfraktion vertreten.Mit dem Leinöl, oder besser Leinölfirniss (Firniss wurde in den 20ern und auch noch 30ern gern als "Lackversiegelung" verwendet), versucht man halt einfach einen relativ authentischen Look hinzubekommen. Wenn man alte Fotos, gerade von Rennfahrzeugen aus Brooklands etc. betrachtet, so waren diese nie hochglänzend. Es wurde viel eher mit einem verölten Lappen drübergewischt als poliert - wahrscheinlich kam wann irgendwann darauf, daß Leinöl dafür sogar besser geeignet ist als Öl. Leinölfirniss hat nämlich demgegenüber einen Vorteil - es trocknet an.Wie gesagt, auf einer Limousine der Vorkriegszeit würde ich auch eher den reinen Lack bevorzugen, aber Rennfahrzeuge waren nunmal weit von dem Perfektionismus der heutigen Werbeträger im Motorsport entfernt.Bestes Beispiel sind die Auto Union Replicas bzw. sogar die Silberpfeile aus dem Mercdes Fundus -so perfekt haben die nie ausgesehen, die sehen für meinen Geschmack, zumindest von der Lackoberfläche her, viel zu perfekt aus - selbst dei Originale wirken da wie Nachbauten, was sehr sehr schade ist. Da hätte man meiner Ansicht nach mit viel mehr Fingerspitzengefühl rangehen sollen. Grüße,Ralf

[arondeman]

Zitat:Original erstellt von Derby special am/um 22.11.07 09:28:47Da hätte man meiner Ansicht nach mit viel mehr Fingerspitzengefühl rangehen sollen."Fingerspitzengefühl" hieße hier aber gerade eben, genau dieses "Gefühl" (z.B. beim Ertasten von Unebenheiten) aus den Fingerspitzen WEGZULASSEN - und das kannst du doch von einem PROFI, der zeigen will, was er kann, nicht verlangen! Ganz im Ernst: Von der Arbeitsweise und Arbeitsphilosophie so mancher Möbelrestauratoren könnte sich so mancher Auztorestaurator eine Scheibe abschneiden.GrußS.

[Josef Eckert]

Die Autorestauratoren machen das was der Markt verlangt und was sich am besten verkaufen lässt. Wenn mehr Käufer den Hang zur "Patina" entwickeln und nicht zum Hochglanz-Fahrzeug, werden die Restauratoren ganz schnell umdenken. Ich denke jeder sollte für sich selbst entscheiden, was er eigentlich auch tut, wie er am besten mit seinem Fahrzeug leben kann. Hochglanz-Stehfahrzeug oder altagsgebrauchter Zustand 3er mit der "Alltags-Patina" die dann nicht zu vermeiden ist. Ich sehe eigentlich beides gerne. Was ich persönlich hasse ist wenn jemand modenes Zeug in seinen Oldtimer verbaut, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Mit so etwas ist für mich die ganze sonstwie erhaltene Patina dahin. Nach meiner Meinung hat dann der Besitzer überhaupt kein Gefühl und Beziehung mehr zu dem Fahrzeug und der Historie das er bewegt. Beispiele: Drehstrom statt Gleichstromlichtmaschine, Minus statt Plus an Masse, Scheibenbremsen statt Trommelbremsen.Sowas stört mich persönlich einfach und zerstört in meinen augen den Gesamteindruck des Fahrzeugs - Patina verloren.GrußJosef

[Gordini]

Zitat:Original erstellt von Derby special am/um 21.11.07 18:41:15Na gut, daß wir endlich auch für Gammel eine gute deutsche Definition haben.Jetzt muß ich also meine schöne Sitzbank restaurieren lassen (Gammel, da aufgerissen), das Leinöl, welches seit fast 40 Jahren drauf ist abwaschen, die in vielen Rennschlachten errungenen Steinschlaglackabplatzer auf den Kotflügeln überlackieren (einschl. des Rußfilms oberhalb des Auspuffs) und die kleinen Dellen ausbeulen lassen (vom Dellendoktor) . Alles Gründe, warum ich mir das Auto gekauft habe - weils so einfach (für meine Augen) authentischer aussieht, als die meisten der Neubau-Bentleys Baujahr 2000 x. Grüße,Ralf....und genau das alles lässt Du gefälligst schön an Ihm dran!Schöne GrüßeChristoph

[Gordini]

Zitat:Original erstellt von Josef Eckert am/um 22.11.07 10:09:21Was ich persönlich hasse ist wenn jemand modenes Zeug in seinen Oldtimer verbaut, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Mit so etwas ist für mich die ganze sonstwie erhaltene Patina dahin. Nach meiner Meinung hat dann der Besitzer überhaupt kein Gefühl und Beziehung mehr zu dem Fahrzeug und der Historie das er bewegt.GrußJosefJosef, was ist mit Edelstahlauspuff?Weber-Vergaser beim 190 SL, oder TR 6?Speichenräder am Jaguar, MG, Austin-Healey? (Wenn nicht bereits serienmäßig verbaut)Elektrolüfter?Koni?Wo setzt du die Messlatte an?GrüßeChristoph