Initiative Kulturgut Mobilität am Ende? DEUVET auf dem Vormarsch?
Verfasst: So 7. Jan 2007, 17:54
Ich habe in den letzten Threads viel Kritik gelesen und halte es für wichtig, dass sich die Initiative offensiv dieser Kritik stellt. Uns ist diese Kritik wirklich willkommen, denn sie ermöglicht uns immer wieder einen Abgleich mit unseren ursprünglich definierten Zielen. Ich möchte daher einige der Kritikpunkte aufnehmen und als Gründer der Initiative hierzu Stellung beziehen. Da die Initiative auch in die Oldtimerlandschaft eingebunden ist und zwischen der Arbeit der Initiative und all den anderen in unserem Hobby Engagierten keine Leerräume, sondern enge Berührungspunkte bestehen, wird der eine oder andere Bezug fällig.Für mich ergeben sich folgende Frage-, Kritikpunkte:1. Hat sich die Initiative von ihren ursprünglichen Zielen entfernt?2. Reibt die Initiative sich in der Diskussion um Young- und Oldtimer auf?3. Hat sich die Initiative mit Dingen wie dem Spendenaufruf institutionalisiert?4. Ist die Feinstaubdiskussion und sind Oldtimerdemos eine Angelegenheit der Initiative?Die erste Frage lässt sich grundsätzlich mit „Nein“ beantworten, wenn auch neben der Arbeit eines kleinen harten Kerns um die Initiative herum rasch eine andere Ebene entstand. Kurz nach ihrer ‚Gründung’ wurde die Initiative sehr schnell in eine Rolle gedrängt, die sie so nie wollte und auch jetzt nicht haben will. Grund hierfür ist das tiefe Vakuum, das in der deutschen Oldtimerszene besteht und um dieses Vakuum zu verstehen, muss man sich die Szene einmal genau ansehen. Hierzu einmal ein paar Stichpunkte:· Oldtimerfahrer, die von politischem Gehabe überhaupt nichts wissen wollen oder schon resigniert haben.· Oldtimerfahrer, die sich in ihren Markenclubs wohl aufgehoben fühlen, so lange sich diese um Ersatzteilversorgung und mal ein nettes Treffen usw. kümmern und ansonsten wenig Engagement zeigen. · Markenclubs, die in der Problematik stecken, von Ihren großen Marken bestens betreut zu werden, es dort aber zu erheblichen Interessenskonflikten kommt, denn man will ja andererseits möglichst viele umweltgerechte Neuwagen verkaufen. Niemand stellte bislang die Frage, wie die großen Marken zu den Problemen stehen, denen die Oldtimerszene zur Zeit gegenübersteht. · Zwei große Automobilclubs, die zwar gerne an der Oldtimerszene partizipieren, aber auch in Abhängigkeiten ihren sonstigen Mitgliedern gegenüber stecken, die der momentanen Umweltpolitik unserer Regierung gegenüber nicht unbedingt negativ gegenüber stehen.· Eine Umweltpolitik, die mit Totschlagargumenten wie „Gesundheitsgefährdung“ arbeitet.· Einen nationalen Dachverband, der sich weder strukturell noch organisatorisch auf die bestehenden Probleme und die sich veränderte Szene eingestellt hat.· Ein großer Teil von unorganisierten Oldtimerfahrern, die in keiner der vorgenannten Organisationen ihre Heimat finden. · Eine uns von der Politik aufgedrängte Diskussion um Young- oder Oldtimer.Genau in dieses Vakuum wurde die Initiative Kulturgut Mobilität hineingesaugt, was nicht gewollt war und womit die Initiative auch sicher in weiten Teilen überfordert ist. Wie soll ein wirklich kleines Häuflein von Engagierten die Probleme lösen können, die von den Großen und hier nenne ich doch einmal Ross und Reiter wie ADAC, AvD, DEUVET und die gesamte deutsche Automobilindustrie, aber auch die Oldtimermedien, nicht auf die Reihe bekommen werden. Wie sich anlässlich der Diskussion im November im Meilenwerk in Düsseldorf gezeigt hat, war dieser Anlass das erste Mal, dass man gemeinsam an einem Tisch saß und anstatt zu überlegen, was die nächsten konkreten Schritte sein könnten, um gemeinsam für Veränderungen einzutreten, ergab man sich zum Teil in reiner Selbstdarstellung.Dennoch geben wir die Initiative nicht auf und haben für den 10. Februar zu einer zweiten Runde, diesmal bewusst ohne Publikum, eingeladen, um dann auch wirklich ergebnisorientiert arbeiten zu können. Hier gilt besondere – aber sachliche – Kritik dem DEUVET, dessen eigentliche Aufgabe es wäre, die Szene zu einen, Probleme aufzunehmen und diese im Dialog mit Industrie und Markenclubs, aber auch im Dialog mit den Nichtorganisierten ergebnisorientiert umzusetzen. Jetzt wird wieder das Argument kommen, die Organisationsstruktur des DEUVET, der sich ja nur als Dachverband der Markenclubs versteht, lässt dies nicht zu. Wenn dies so wäre, dann hat man dort die Realität verschlafen und ein Dachverband nur der Markenclubs – die ja auch noch nicht einmal in ihrer Gesamtheit Mitglied im DEUVET sind – kann eben nicht die Vertretung der deutschen Oldtimerszene sein. Die anderen großen Organisationen sind es zur Zeit aber leider auch nicht. Das Vakuum wächst. Ja, man hat es noch nicht einmal geschafft, unter denen, die sich angeblich für die Szene verantwortlich fühlen, gemeinsame Kernargumente und gleiches Zahlenwerk als Argumentationsgrundlage zu schaffen.Vielleicht und hoffentlich nehmen ja alle Eingeladenen auch den Termin am 10. Februar wahr, um einen Schritt weiterzukommen. Wir brauchen endlich einen starken DEUVET, der dieses Vakuum auffängt oder sich im Dialog mit den anderen Organisationen Aufgaben in abgestimmter Weise und ohne Konkurrenzgerangel teilt. Auch die Oldtimermedien haben sich hier weitestgehend auf die Rolle des Beobachters und Berichterstatters zurückgezogen und viele – nicht alle – versuchen, sich hier mit wohlgemeinter Neutralität über Wasser zu halten, ohne zum Sprachrohr einer Szene zu werden, die von Problemen aufgescheucht wie ein kopfloses Huhn einherrennt. Gerade wegen der so vielfältigen Probleme sieht die Initiative Kulturgut Mobilität immer noch in der Forderung der Anerkennung unserer zwei- und vierrädrigen Fahrzeuge als Kulturgut den richtigen Weg und wird dies auch durch Aktionen, wie z.B. einen gemeinsam mit der Deutschen Fachwerkstraße am 9. September veranstalteten Tag „Oldtimer ErLeben“ mit Großveranstaltung im hessischen Büdingen unter Beweis stellen. Zur zweiten Frage bezüglich der Diskussion um Young- und Oldtimer ebenfalls ein deutliches Nein. Die Initiative Kulturgut Mobilität wird sich nicht an der Frage von Young- und Oldtimern aufreiben. Beide sind oder waren Alltagsgut und sind somit auch Teil unserer Alltagskultur und somit Kulturgut. Diese Diskussion wurde uns einzig und alleine von der Politik aufgedrängt und dieser uns zugeworfene Ball wurde fatalerweise von uns gerne aufgefangen. Die Politik brachte uns in die Situation, eine Diskussion zu beginnen, die weder den Youngtimern noch den Oldtimern, die ja auch alle einmal Youngtimer waren, gerecht wird. 07-Kennzeichen ab 20, 25 oder gar 30 Jahren war schon einmal eine Diskussion, die die Agierenden unter den Druck brachte, eine Gruppe zu Gunsten des Überlebens der anderen zu opfern. Die Frage, warum ist ein 190er Mercedes oder ein VW Passat nicht als Kulturgut erhaltenswert, stand nicht mehr im Vordergrund und man musste ja auch keine Argumente mehr hierfür finden, hatte die Politik einem doch unter dem Druck des realen Handelns diese Fragen abgenommen. Für die Initiative Kulturgut bestehen diese Fragen noch und die Grünen haben auch nicht aufgegeben, als die ersten Atomkraftwerke in Betrieb waren. Langfristig für eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung zu sorgen, Sympathieträger für unser gemeinsames Hobby zu finden, die Aufarbeitung der historischen Hintergründe, das Automobil im Kontext der Alltagskultur zu sehen und zwar der Alltagskultur der 20er und 30er, aber auch der 70er und 80er, ist hier das Ziel.Auch die dritte Frage möchte ich mit einem Nein beantworten. Nach wie vor gibt es keinen Verein, keinen Vorstand, keinen Kassenwart und keinen Aufsichtsrat. Was es gab, war ein Spendenaufruf, um einen Kostenzuschuss für Aufkleber, Homepage, Unterschriftensammlung und hin und wieder einmal einen kleinen Zuschuss zu Reisekosten zu ermöglichen. Es entstand eine Diskussion über eine mögliche Institutionalisierung und die Anhäufung von Reichtümern. Es sind bis heute genau 465,00 Euro an Spenden eingegangen. Vielen Dank an alle, die gespendet haben und wären nicht zwei Spender mit 100,00 Euro dabei gewesen, hätten noch nicht einmal die Kosten der ersten Aufkleberaktion abgedeckt werden können, von den anderen bislang entstandenen Kosten ganz zu schweigen. Hier geht es jedoch nicht um das Finanzielle. Die Initiative soll weiterhin ein Forum für all die sein, die sich hier mit Ideen und Engagement einbringen wollen. Die Form der „Bürgerinitiative“ war bewusst gewollt und wird auch weiterhin umgesetzt, auch wenn dies sicher der schwierigste Weg ist. Langsam entstehen regionale Aktionseinheiten, die wie in München und Berlin zu Aktionen geführt haben. Ich gebe zu, der Weg ist auch deshalb so schwierig, weil diese Organisationsform natürlich auch etwas von Chaos geprägt ist und immer wieder gemahnt werden muss, das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, nämlich die Anerkennung unserer historischen Fahrzeuge als Kulturgut. Mir persönlich wäre ein Brief eines jeden Demoteilnehmers an die Kulturverantwortlichen der Länder mit einem Hinweis auf dieses Thema genausowichtig gewesen wie die Teilnahme an der Demonstration gegen die drohenden Fahrverbote. Auch die letzte Frage möchte ich mit einem eindeutigen Nein beantworten, aber gleichzeitig die Gegenfrage stellen, wessen Angelegenheit ist denn sei? Hier kommt noch einmal mein Ruf nach einem starken DEUVET. Seien wir ehrlich, die Schlacht wegen der kommenden Fahrverbotszonen scheinen wir verloren zu haben. Sind wir Realisten. Was geschieht, um die weiteren drohenden Restriktionen abzuwenden? Was geschieht, um zu einem DEUVET zu kommen, der eine wirklich starke Vertretung aller Oldtimerfahrer ist? Wurden strategische Gespräche mit dem ADAC und dem AvD geführt? Wurden überhaupt strategische Allianzen geschaffen? Kritik muss möglich sein, ohne als Gegner eines starken DEUVET dazustehen oder sich in die Ecke gedrängt zu sehen, führenden Herren und der Dame im Vorstand des DEUVET am Stuhl sägen zu wollen. Die Szene hat sich verändert und für den DEUVET würden mehr Möglichkeiten denn ja offen stehen, wäre er zu strukturellen und organisatorischen Änderungen bereit. Ist die Aufgabe einer echten Oldtimervertretung wirklich nur mit den Markenclubs zu schaffen oder muss man auch endlich über eine Einzelmitgliedschaft nachdenken? Wie kann man die großen ausgetretenen Markenclubs wieder in die Arbeit des DEUVET einbinden? Sind die Mitarbeit von Beiräten für Yongtimer, Vorkriegsoldtimer, Kleinwagen, Traktoren usw. überhaupt sinnvoll oder wäre es nicht besser, sich regional aufzugliedern? Wie kann die Kommunikation zu den Markenclubs verbessert werden bzw. ist die überhaupt notwendig, wenn man mehr Regionalität z.B. durch Landesgruppen umsetzt und kann man so nicht auch besser auf regionale Problemstellungen reagieren und so mehr Mitglieder ins Boot holen? Ist ein Historic Rallye Cup heute im Zeitalter von mehr Umweltbewusstsein nicht kontraproduktiv und wäre es nicht besser, auch außerhalb der Szene für mehr Sympathie für unsere Fahrzeuge zu werben? Wie ist mehr Professionalität zu erreichen und kann es hier nicht sinnvoll sein, mehr strategische Allianzen zur Automobilindustrie und den großen Automobilclubs zu suchen? Dies sind nicht alle Fragen, die an einen starken Dachverband zu stellen wären, aber in jeder dieser Fragen liegen auch ungeahnte Möglichkeiten, unser aller Anliegen weiterzubringen und das entstandene Vakuum, in das die Initiative Kulturgut Mobilität hineingefallen ist, zu füllen. Fakt ist, dass sich ein Dachverband mit 38.000 Mitgliedern – worunter sich auch noch viele Doppelmitgliedschaften befinden, weil auch Doppelmitgliedschaften in Markenclubs bestehen – auf Dauer nicht behaupten kann und dies genau in einer Zeit, die einen starken Dachverband mehr denn je braucht. Es wäre an der Zeit, bestehende Chancen selbstkritisch und im offenen Dialog zu nutzen. Wir, die Initiative Kulturgut Mobilität, sind auch gerne bereit, den DEUVET zu unterstützen.Gruss PeterBeitrag geändert:07.01.07 17:32:44