Jugendliebe neu entdeckt, ein Restaurationsbericht über 76'er Chevy Camaro
Verfasst: Mi 5. Mär 2008, 00:12
Hallo Oldtimerfreunde,Ich lese hier schon lange hier im Forum mit und möchte jetzt einmal über die Restauration meines Chevy Camaro's berichten.Vorwort:Ich leide seit meiner Jugendzeit unter einer unheilbaren Krankheit, gegen die es scheinbar keine Mittel gibt. Es ist der V8-Virus, den ich einfach nicht los werde. In den 80zigern habe ich lange Jahre einen Camaro gefahren und wie es in den jungen Jahren halt so ist, einiges damit erlebt...Nach dem Camaro habe ich dann noch einige andere Amis "ausprobiert", bis ich dann einen Abstecher in die Militärfahrzeugszene machte, siehe meine Hompage unter http://www.m37.de. Im Herbst 2006 entdeckte ich im Internet so beiläufig eine Verkaufsanzeige über einen 76'er Camaro für relativ kleines Geld. Das Interesse wurde in mir geweckt, da er als absoluter Originalzustand beschrieben wurde, was heute sehr selten geworden ist. Ausserdem war er aus erster Hand und wurde damals als Neufahrzeug importiert. Das Fahrzeug war zum Schluss 14 Jahre am Stück abgemeldet.Letztendlich bin ich mit einem Freund zu dem Händler gefahren und nach intensiver Begutachtung habe ich den Camaro kurzerhand gekauft. Das war im Herbst 2006.Zustand:Der Zustand war dem Alter entsprechend gut. Man muss wissen, das die Amis damals noch keine Unterboden- und Hohlraumversiegelung kannten. Hier in Deutschland wurde dann diese typische bitumenartige Unterbodenkonservierung druntergespritzt, die aber an vielen Stellen unterrostet war. An den Stellen, wo nichts hinkam, hat der Flugrost das Chassis in eine gleichmässig braune Farbe verwandelt. Nur die Teile mit noch guter originaler Grundierung blieben verschont. Da es überall am Unterboden und auch am Rahmen jedoch viel Flugrost gab, habe ich mich dann dazu entschlossen, den Camaro komplett zu zerlegen. Die Innenausstattung war in einem relativ guten Zustand, an den Armaturen wurde nicht herumgebastelt. Der Motor lief ohne auffällige Geräusche zu machen.Heck:Zuerst wurde der Tank und die Hinterachse ausgebaut.An der Heckpartie waren die einzigen Schweissarbeiten zu machen. Bereiche, wo sich der Dreck der Jahre angesammlet hatte, waren durchgerostet. Diese habe ich durch neue am Schraubstock geformte Bleche ersetzt.Es stellte sich schnell heraus, das die letzte Lage der Blattfedern auf beiden Seiten gebrochen war, eine typische F-Body-Krankheit. Das Differential weiste keinerlei Spiel auf. Die Trommelbremsen, Blattfedern und Stossdämpfer wurden somit erneuert, die Halterungen und Buchsen der Federn wurden durch PU-Material ersetzt.Eins möchte ich vielleicht vorwegnehmen, damit dieser Bericht nicht zu lang wird: Ich habe ALLE Fahrzeugteile komplett entrostet, zum Teil bei einem Freund gesandstrahlt, mit Epoxyd-Grundierung versehen und Mattscharz lackiert.Nachdem nun die Hinterachse fertiggestellt war, wurde der Tank überarbeitet. Dieser ist von innen sowie von aussen verbleit. Die Zuleitungen mussten erneuert werden.Im hinteren Bereich wurde dann der Unterboden mit einem Hartmetallschaber, etwa 2 cm breit, komplett von der Bitumenmasse befreit, alles mit Nitroverdünnung abgewaschen, entrostet, grundiert, lackiert und mit Steinschlagschutz versehen.Nachdem der hintere Bereich fertiggestallt war, wurde die Hinterachse wieder eingebaut und zwei alte Räder draufgestecktFront:Danach wude der Vorderwagen komplett zerlegt. Zuerst habe ich die Frontmaske und die Kotflügel entfernt.Nun hatte ich ein Problem: Wie bekomme ich die vorderen Dreieckslenker samt Federn und Lenkung vom Fahrzeug weg. Dazu habe ich mir einen fahrbaren Bock geschweisst, auf dem dann der Vorderwagen abgestützt werden konnte. So konnte ich den Camaro an die Kette hängen oder ihn auf dem Bock durch die Werkstatt bewegen. Nun gut, jedenfalls konnte ich so den vorderen Antrieb demontieren und überarbeiten.Danach kam der Motor samt Getriebe raus. Die Türen wurden ebenfalls ausgebaut. Übrig blieb der nackte Hinterwagen mit dem vorderen Rahmenträger.Der vordere Rahmen geht etwa bis zur Mitte der Türen und ist mit vier Schrauben unter der Karosse befestigt. Nachdem ich den Hinterwagen aufgebockt hatte, konnte ich nach dem Lösen der Schrauben den Rahmen unter dem "Camaro-Rest" wegziehen. Dieser wurde dann ebenfalls wie schon eingangs beschrieben von mir bearbeitet.Unterboden:Nun stand der Hinterwagen auf seiner Hinterachse und vorne auf zwei Hubwagen. An die beiden vorderen Rahmenbefestigungspunkte habe ich quer zum Fahrzeug ein Rechteckrohr befestigt, an dem ich mit einem Kettenzug das ganze Fahrzeug in einem 45-Grad Winkel hochgezogen habe. So konnte ich dann den gesamten Unterboden bequem bearbeiten.Dazu gehörte auch hier wieder das Entfernen der Bitumenmasse mit dem Handschaber. Letzendlich habe ich alle offenen Nähte mit Karosseriedichtmasse verschlossen, den ganzen Unterboden mit Epoxyd grundiert und schwarz lackiert. Danach kam dann noch an kritischen Stellen etwas Steinschlagschutz drauf.Nachdem dieser Unterboden nun fertiggestellt war, wurde der Rahmen mit neuen PU-Buchsen wieder druntergeschraubt.Antrieb:Als nächstes stand die Überarbeitung der Motor-Getriebe-Einheit an. Den Motor habe ich samt Wandler vom Getriebe getrennt. Der Motor wurde geöffnet, gereinigt und alle Dichtungen und Simmerringe erneuert. Die Ventile bekamen neue Ölabstreifdichtungen, da diese ausgehärtet waren. Die Froststopfen wurden durch Messingstopfen ausgetauscht. Da niemend mehr sagen konnte ob der Kilometerzähler schon einmal Geburtstag hatte, wurde dem Motor auch eine neue Steuerkette verpasst. Der Motor wurde zum Schluss in einer orangenen Farbe lackiert.Das Getriebe wurde ebenfalls neu abgedichtet und gleichfalls in orange lackiert. Nach dem Zusammenbau konnte die Antriebseinheit wieder eingebaut werden. Ab 1975 erhielten die Amis einen ungeregelten Katalysator, der hier bei uns gänzlich ignoriert wird. Was also ignoriert wird, braucht auch nicht eingebaut zu sein... AU bestanden mit 0,25 Prozent CO.Lenkung:Sämtliche beweglichen Teile der Lenkung wurden erneuert, original Gummibuchsen an den Dreieckslenkern durch PU-Buchsen ersetzt und danach wieder zusammengebaut. Etwasabenteuerlich gestaltete sich der Einbau der Schraubenfedern zwischen die beiden Dreieckslenker, was aber dennoch klappte.Blechteile:Ursprünglich war geplant, schadhafte Lackbereiche anzulackieren. Da war ich doch etwas zu naiv, wie sich heraustellen sollte.Die Amis verwendeten früher thermoplastischen Lack, der sich mit unseren Lacksystemen nicht verträgt. Es gibt zwar Trennmittel, aber durch das unterschiedliche Temperaturverhalten der Lacke und die Gefahr der Rissbildung wurde mir davon abgeraten. So musste ich in den sauren Apfel beissen, und die komplette Karosse entlacken. Eine mechanische Entlackung ist NUR mit den CSFD-Scheiben von 3M möglich. Alles andere setzt sich sofort zu oder fängt an zu Schmieren, Ich habe da alles mögliche ausprobiert. So habe ich in tagelanger Schleifarbeit das komplette Fahrzeug entlackt, danach mit Epoxyd grundiert und einmal gefüllert. So war es mit dem Lackierer abgesprochen. Ein grössres Problem stellte die Frontmaske dar. Da diese aus einem GFK-ähnlichen Material hergestellt wurde, konnte ich diese nicht schleifen. Hier mussten vier Liter industrielle Nitroverdünnung herhalten, mit der ich die GFK-Teile abwaschen konnte, da der Lack nicht lösungsmittelbeständig ist (stundenlang unter der Gasmaske....)Der Lackierer hat dann nach und nach sämtliche abbaubaren Blechteile bekommen und nachgearbeitet sowie lackiert. Zum Schluss habe ich dann mit einem Freund den "Rest" ebenfalls zum Lackierer gebracht. Danach wurde dann alles wieder zusammengebaut.Innenausstattung:Nachdem ich nun schon soviel Zeit und Mühe in das Auto gesteckt hatte, sollte er auch eine schöne zweifarbige Lederausstattung bekommen. Die wurde von einem hiesigen Möbelpolsterer nach meinen Ideen angefertigt, der wirklich eine sehr gute Arbeit geleistet hat. Ein neuer Teppich musste ebenfalls her, da dieser ziemlich deletantisch von Werk aus in mehreren Teilen im Fahrzeug verlegt wurde. Ausserdem hatte man es noch nicht einmal für nötig gehalten, unter den Sitzen ebenfalls Teppich zu verlegen. Das konnte ich so nicht lassen.Der Himmel wurde von mir selbst mit dem gleichen Leder wie die Sitze beklebt. Hier war das faltenfreibe Verkleben des doch recht elastischen Leders die Herausforderung.Elektrik:Elektrikprobleme treten bei dieser alten Technik kaum auf. Hier lässt sich alles noch selbst reparieren. Die Uhr war defekt. Sie blieb immer stehen. Hier kann man sehr schön von dem gigantischen Oldtimermarkt in Amerika profitieren. Es gibt drüben einen Hersteller, der sich auf den Ersatz alter Uhrwerke von Armaturenuhren spezialisiert hat. So konnte ich mir ein quarzgesteuertes Uhrwerk beschaffen, welches das alte Räderwerk ersetzt. Nach aussen sieht man keinen Unterschied.Ein Problem stellte das nicht mehr zu beschaffene Thermorelais für die "Fasten Seat Belt"-Anzeige dar, die nach dem Einschalten der Zündung nach einiger Zeit selbstständig verlischt. Das Thermorelais beinhaltet einen Heizdraht, der durchkorodiert war. Ich habe dann kurzerhand die komplette Mechanik aus dem Relais entfernt und eine eigene Elektronik eingebaut. Das funktioniert genauso.Das Blinkrelais muss bei meinem Fahrzeug den Strom der Seitenmarkierungsleuchten mit aufnehmen, da diese hier mit als Blinkleuchte fungieren (Bestimmung STVZO). Da das Relais ebenfalls ein Thermorelais ist, wird die Blinkfrequenz durch die zusätzliche Last merklich herabgesetzt. Ich habe dann das Gehäuse geöffnet und die Mechanik von Hand etwas nachjustiert... und geht.Rote Blinker blieben mir aufgrund eines eingetragenen Aktenzeichens im alten Brief erhalten und ich brauchte nicht umzurüsten.Nachwort:Hier konnte ich nur einen groben Abriss meiner Arbeiten wiedergeben. Ich habe für die Restauration etwa 1000 Stunden gebraucht, von März 2007 bis Februar 2008. Das Fahrzeug hat eine Unmenge an Teilen verschlungen, die dank Internet problemlos in Amerika zu beschaffen sind. Mittlerweile hat der TÜV seinen Segen dazu gegeben und das H-Gutachten ist auch ausgestellt, und, was mich besonders gefreut hat, das mir das Strassenverkehrsamt vorne und hinten die kleinen Leichtkraftradschilder zugewiesen hat.Hier noch ein paar Bilder auf meiner Internetseite http://www.m37.de/sonstiges/...es/camaro/camaro.html. Die Letzten Fotos zeigen den restaurierten Zustand.In dem SinneViele GrüsseFriedhelmBeitrag geändert:04.03.08 23:20:41Beitrag geändert:04.03.08 23:23:15Beitrag geändert:04.03.08 23:24:12